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Tränen bei der Osteopathie

Körper und Seele – wenn auf der Behandlungsbank plötzlich Tränen fließen

Oder die Geschichte vom „eingebildeten“ Schmerz

Eigentlich hatte ich mir für diesen Monat ein ganz anderes Thema vorgenommen. Aber manchmal kommt es eben anders.

Hin und wieder kommt es vor, dass ich irgendeine Struktur anfasse und plötzlich rollen Tränen. Meist reagieren die Betroffenen dann beschämt, aber das ist absolut unnötig.

Ich möchte solche Erfahrungen von zwei Seiten aus beleuchten:

  1. Was ist denn da im Körper los?
  2. Wie ich als Therapeutin damit umgehe und warum das überhaupt kein Problem ist.

Zu Punkt 1:

In der Schulmedizin wird meist auch heute immer noch fein säuberlich getrennt zwischen körperlichen Beschwerden und psychischen Beschwerden oder Erkrankungen. Nur in wenigen Fällen und eher von der psychotherapeutischen Seite wird akzeptiert, dass seelischer Schmerz sich in körperlichen Schmerzen oder Krankheiten ausdrücken kann.

Das Trennen ist totaler Quatsch und es ist mir ein Anliegen, zu erklären warum das so ist.

Ich denke, jedem ist klar, dass unser Gehirn der Chef unseres Seins ist. Hier denken wir, fühlen wir, werden körperliche Prozesse verarbeitet und gesteuert. Wie zum Teufel konnte man also auf die Idee kommen, dass Köper und Seele/Geist/Denken zwei voneinander entkoppelte Systeme sind?

Die Neurowissenschaft weiß schon ziemlich lange, dass verschiedene Gehirnareale verschiedene Aufgaben haben.

Zum Beispiel: Der präfrontale Kortex, also der Teil des Großhirns, der hinter unserer Stirn liegt, ist unter anderem dafür zuständig für das Ich-Gefühl, das Denken, das bewusste Bewerten von Dingen. Hier findet alles statt, was wir direkt auf dem Schirm haben und bewusst wahrnehmen.

Das Reptilienhirn (es umfasst Hirnstamm, Kleinhirn und Teile des Zwischenhirns) ist für Emotionen, Instinkt und Impulse zuständig. Es ist ein entwicklungsgeschichtlich sehr viel älterer Anteil unseres Gehirns und stammt aus einer Zeit, als Emotionen und Wahrnehmungen direkt in impulsiven, instinktiven Handlungen mündeten. Die Biologie sagt: wie bei Tieren eben. Hier sind auch Handlungsmuster und emotionale Reaktionsmuster abgespeichert, die wir in früher Kindheit, also wenn wir noch nicht in der Lage sind, das Ganze mit dem präfrontalen Kortex einzuordnen und zu bewerten, erlernen und abspeichern.

Wir sehen also: Unser Geist hockt im Hirn. In einer tatsächlich greifbaren Struktur. Warum sollte diese Struktur nicht auf den Geist reagieren?

Ein Beispiel dafür, wie sich Körper und Seele gegenseitig beeinflussen, kennen wir bestimmt alle. Wenn wir vor etwas Angst haben, oder uns etwas unangenehm ist, ziehen wir buchstäblich den Kopf ein und lassen die Schultern hängen. Beschließen wir aber – weils ja eh meist nicht hilft – uns der Situation zu stellen, richten wir uns automatisch auf und nehmen ein paar tiefe Atemzüge. Und schon sind wir ruhiger und selbstsicherer. Und können uns unserer Angst besser stellen.

Das Ganze geht aber noch viel weiter. Angst, Trauer, Hilflosigkeit, Wut, aber auch alle positiven Emotionen beeinflussen, wie unser Gehirn in unserem Kopf sitzt. Nehmen wir die negativen Empfindungen: Sind wir in Trauer, stehen wir unter schlimmem Stress, oder hatten wir ein traumatisches Erlebnis, tun uns eher Dinge weh, oder piesaken uns eher Kopfschmerzen, Verdauungsbeschwerden, Zyklusstörungen, Tinnitus, als das in ruhigen Zeiten der Fall wäre. Das liegt daran, dass unser Hirn sich unter Stress neigt. Diese Neigungen übertragen sich über Rückenmark und Nerven in den Körper. Sind wir deshalb verrückt oder bilden uns die Beschwerden ein? Sicher nicht! Jeder körperliche Schmerz hat eine Ursache. Nur ist diese halt nicht automatisch eine kaputte Struktur, wie ein Bandscheibenvorfall oder ein Knochenbruch.

Vielleicht hat auch der eine oder andere schon mal von den Organbeziehungen zu unseren Emotionen gehört? Die schlauen alten Chinesen haben damals schon festgestellt, dass z.B. wenn wir tieftraurig und verzweifelt sind und diese Gefühle über längere Zeit nicht verarbeitet werden können, unsere Bauchspeicheldrüse in Mitleidenschaft gezogen wird. Oder unsere Leber, bzw. unsere Gallenblase: „Da kommt einem die Galle hoch“, sagt ein Sprichwort. Leber und Galle wird die Wut zugeordnet.
Wie viele Leute kennst Du, die schon ihre Gallenblase lassen mussten?

Lasst doch mal Revue-passieren, ob die sich nicht schon ziemlich lange ernsthaft über etwas ärgern mussten.

Aber warum muss ich nun eigentlich weinen, nur weil du meinen Ellenbogen angefasst hast?

Nun, in diesem speziellen Fall, wurde ein Patient überfallen, stürzte und fiel auf den Ellenbogen. Dieser tat immer noch weh, obwohl sogar eine Knochenprellung längst hätte verheilt sein müssen.

Als wir dann behandelten, ich schließlich am Arm angekommen war und die Stellung des Ellenbogengelenks korrigieren wollte, liefen plötzlich die Tränen und das ganze schlimme Erlebnis sprudelte hervor. Der Schock, die Angst, die Wut, die Hilflosigkeit der Situation waren da eingraviert. Durch die Berührung und die sanfte Korrektur konnten sie losgelassen werden.

Das Gleiche kann bei OP-Narben passieren, oder auch ganz ohne erkennbaren strukturellen Zusammenhang von Erlebnis und Verletzung.

Sieht der Körper sich dann in der Lage, die Emotionen herzugeben, wird er das tun. Und das Erlebnis kann im Kopf verarbeitet werden.

Punkt 2 – meine Seite

Bin ich nun Psychologe, oder was? Nein, natürlich nicht.

Aber ich bin die, die dann da ist. Egal, was Du in so einer Situation brauchst, ob ich Deine Hand halten soll, aus dem Raum gehen soll, mir Deine Geschichte anhören soll, oder ein Taschentuch holen, glaub mir, Du wirst mir zeigen, was Du brauchst. Und ich werde, was es auch ist, gerne tun. Du bringst mich damit weder in Verlegenheit noch gehst Du mir auf die Nerven. Du belastest mich auch nicht. Lass es bei mir in der Praxis, hier ist es gut aufgehoben.

Ich spreche gerne mit Dir. Ich nehme Dir die Sorge, nicht ernst genommen oder belächelt zu werden. Brauchst du weitere Hilfe, gebe ich Dir gerne Kontakte, oder Tipps, wohin Du dich wenden kannst.

Es gibt nichts, was lächerlich oder unangebracht sind. Emotionen sind immer angebracht. Sie sind ein Teil von Dir. Sie zu unterdrücken oder negativ zu bewerten ist schädlich.

Deshalb wirst Du von mir auch nie eine negative Reaktion bekommen. Jede Emotion erstmal ganz fein so wie sie ist. Erst beim daraus resultierenden Verhalten tauchen die Probleme auf – aber das ist dann Aufgabe anderer. Ich bin ja kein Psychologe 😉

Denkst Du immer noch, Körper und Geist sind zwei getrennte Dinge?

Hast du dir schonmal anhören müssen, Dein Schmerz sei eingebildet?  Das ist „nur“ psychosomatisch!

Ganz ehrlich, wer heute sowas noch von sich gibt, darf zu Recht belächelt werden. Denk Dir Deinen Teil und sei gewiss, dass Deine Empfindungen schon ganz richtig sind.